Als Jüdische Gemeinde Kassel und Sara Nussbaum Zentrum für Jüdisches Leben nehmen wir die Debatten um historische Persönlichkeiten in unserer Stadt und Region besonders ernst, insbesondere wenn diese mit der Zeit des Ersten und Zweiten Weltkriegs verbunden sind. Aktuell wird über die Erwähnung des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg (1847-1934) in der Liste der Ehrenbürger der Stadt Kassel gestritten. Wir möchten uns in dieser Debatte deutlich positionieren: Entschieden vertreten wir die Haltung, an alle zu appellieren, sich von Hindenburg deutlich zu distanzieren.
Hindenburg, ab 1916 Anführer der diktatorisch regierenden Obersten Heeresleitung, war ab 1919 wesentlich für die Popularisierung der sogenannten „Dolchstoßlegende“ verantwortlich, die Elemente krasser antisemitischer Verschwörungstheorien enthielt. Die Schuld an der Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg sollte unter anderem, so die verbreiteten Lügen, auf Jüdinnen und Juden abgeschoben werden. Dies geschah mit dem bewussten und menschenverachtenden Ziel, jüdisches Leben in Deutschland zu diffamieren.
Vor allem aber war es Hindenburg, der 1933 Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannte. Damit ebnete er der antisemitischen NSDAP die Möglichkeit zur Herrschaft – mit der Konsequenz von über 6 Millionen ermordeten Jüdinnen und Juden in ganz Europa.
Paul von Hindenburg bis zum heutigen Tag auf einer offiziellen Ehrenliste gemeinsam mit der Namensgeberin unseres Zentrums – der Jüdin und Shoa-Überlebenden Sara Nussbaum – zu wissen, ist für uns nicht länger tragbar. Selbst wenn die Ehrenbürgerschaft offiziell mit dem Tod erloschen ist, so machen es Zeiten, in denen Judenhass und darauf bezogene Verschwörungstheorien in vielen Teilen der Gesellschaft wieder ans Tageslicht kommen, den Ausdruck größter Distanz unabdingbar. Die Löschung des Namens aus allen mit der Ehrenbürgerschaft Kassels bezogenen Aufstellungen, sowohl in gedruckter Form als auch im Internet, ist deshalb aus unserer Sicht dringend geboten. Eine nachdrückliche Distanzierung durch die Kasseler Stadtverordnung, etwa im Rahmen eines offiziellen Akts, würden wir ferner sehr begrüßen.
(Beitragsbild: Bundesarchiv, Bild 102-14569 / CC BY-SA 3.0)