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… und der Regen rinnt

Eine Geschichte über das Ghetto Theresienstadt

Mit Musik von Hans Krása, Ilse Weber, Ofir B. Shirit, Fred Endrikat und Curt Bry

Projektensemble „… und der Regen rinnt“
Leitung: Maria Radzikhovskiy
Konzept und Szenario: Clara Neher, Sophie Geismann, Emma Töppler, Antonia Leonhäuser, Maria Radzikhovskiy, Elena Padva

Ein Projekt des Sara Nussbaum Zentrums für Jüdisches Leben Kassel und des SFD „Junges Kassel in Aktion“.

Aufführung in Theresienstadt, Juni 2023

Im Juni 2023 haben wir mit unserer Jugendgruppe für drei Tage die Gedenkstätte Theresienstadt besucht. In dem, von den Jugendlichen gestalteten musikalischen Theaterstück „Und der Regen rinnt“ geht es um vier Frauen, die im Ghetto Theresienstadt inhaftiert waren. Unter ihnen auch Sara Nussbaum, die von Emma Töppler gespielt wurde.

Emma entschloss sich nach ihrem Abitur und inspiriert durch ihre Erfahrungen im Theater-Projekt, einen Bundesfreiwilligendienst in der Gedenkstätte Theresienstadt zu absolvieren. Während unseres Besuchs führte sie uns durch die Ausstellungsräume und das gesamte Areal. Auf dem Dachboden der Magdeburger Kaserne, wo Kinder im Ghetto einst die Kinderoper „Brundibár“ aufgeführt haben, haben wir unser Theaterstück „… und der Regen rinnt“ gespielt. Es war eine sehr emotionale und einzigartige Erfahrung für uns.

In der ersten Reihe saß Michaela Vidláková. Als sechsjähriges Mädchen wurde sie zusammen mit ihrer Familie ins Ghetto Terezín deportiert. Michaela hat „Brundibár“ auf dieser Bühne live erlebt, sie kannte die Familien von Ilse Weber und Helga Weissová – zwei unserer Protagonistinnen. Am nächsten Tag hat uns eine E-Mail von Michaela mit folgenden Worten erreicht:

„Der schöne Auftritt von gestern hallt noch immer in mir nach. Es war ein wirklich tiefgreifendes Erlebnis… Vielen Dank für das, was ich gestern nicht nur gesehen, sondern erlebt und gefühlt habe.“

Michaela Vidláková, Zeitzeugin

Filmprojekt

Die Premiere unseres Filmprojekts „… und der Regen rinnt“ fand am Sonntag, 8. Mai um 12.00 Uhr im Gloria-Kino am Kasseler Ständeplatz statt. Dazu laden wir ganz herzlich ein.

„… und der Regen rinnt“ ist ein Filmprojekt des Sara Nussbaum Zentrums für Jüdisches Leben. Es basiert auf den Biografien und Tagebüchern von vier Frauen aus dem Ghetto Theresienstadt – Sara Nussbaum, Ilse Weber, Helga Weiss und Greta Klingsberg.

Dem Film liegt eine musikalisch-literarische Komposition zugrunde, die Maria Radzikhovskiy und Elena Padva gemeinsam mit Jugendlichen entwickelt haben. „Wir sind wichtige Menschen für die Zukunft, da wir entscheiden, wohin das Ganze geht“, findet Antonia Leonhäuser, eine der Beteiligten. „Gerade weil die Geschichte so schrecklich war, sollten wir uns an ihr ein Beispiel nehmen, damit es nie wieder so weit kommt.“

Im Rahmen der Matinee fanden die Vorführung des Films und ein moderiertes Gespräch auf der Bühne statt. Im Anschluss hatte das Publikum die Gelegenheit, persönlich mit den Beteiligten ins Gespräch zu kommen.

Filmprojekt „… und der Regen rinnt“
Regie: Maria Radzikhovskiy
Filmregie: Sofia Kats

Kamera: Hannes Wichmann

Mit freundlicher Unterstützung des HKE und des Programms „Partnerschaften für Demokratie“.

Zum Stück

Sara Nussbaum, Ilse Weber, Helga Weiss und Greta Klingsberg waren während des Zweiten Weltkrieges im Ghetto Theresienstadt. Wir wissen nicht, ob sie einander gekannt haben, doch in unserer literarisch-musikalischen Erzählung verflechten sich ihre Schicksale.

Die Jugendlichen des Projektensembles haben sich mit den Schicksalen der Internierten des Ghettos Theresienstadt auseinandergesetzt, ihre Tagebücher und Biografien gelesen und ein Theaterstück entwickelt, in dem sie ihre persönlichen Geschichten und über das Ghetto Theresienstadt erzählen.

Der einstigen Kulturquellen beraubt, werden wir uns neue schaffen! Durch hasserfüllten Zorn aus der Mitte der Menschen gerissen, werden wir unsere Herzen jedoch nicht mit Hass und Zorn verhärten; Nächstenliebe, die Verachtung rassistischer, religiöser und nationaler Feindschaften werden heute und in aller Zukunft unser höchstes Gesetz sein!

(Aus der Zeitschrift Vedem, herausgegeben von hundert 13- bis 15-jährigen Jungen, die in den Jahren 1942 bis 1944 im Heim 1. des Blockes L 417 im Ghetto Theresienstadt untergebracht waren. Bis auf wenige Ausnahmen wurden alle umgebracht.)

Das Stück „… und der Regen rinnt“ wurde 2019 im Rahmenprogramm der Hessischen Theatertage, im 2020 in der Jugendkulturkirche CROSS und im in der Spielzeit 2020/21 im Staatstheater Kassel präsentiert.

Ghetto Theresienstadt

Theresienstadt (Terezín) wurde in den Jahren 1780 – 1790 als Festung erbaut und liegt ca. 60 Kilometer nördlich von Prag. Während des Zweiten Weltkrieges wurde die Stadt in ein Ghetto umgewandelt. Es wurde als Konzentrations- und Durchgangslager für Juden aus dem Protektorat Böhmen und Mähren sowie später auch aus Deutschland, Österreich, den Niederlanden, Dänemark und der Slowakei genutzt.

Auch 752 jüdische Bürger aus dem Regierungsbezirk Kassel wurden am 7. September 1942 ins Ghetto Theresienstadt deportiert. Knapp 60.000 Häftlinge lebten in Theresienstadt auf einer Wohnfläche. die nur für ca. 7.000 Menschen gedacht war. Schwere Zwangsarbeit, qualvolle Enge, Wassermangel und sich schnell verbreitende Krankheiten bestimmten den Alltag der Häftlinge.

Trotz katastrophaler Lebensbedingungen gab es in Theresienstadt ein umfangreiches Kulturleben, das von den Nationalsozialisten zwar mit der Zeit erlaubt, jedoch später für Propagandazwecke ausgenutzt wurde.

Ilse Weber

Ilse Weber (geb. Herlinger) wurde 1903 in Witkowitz bei Ostrau (im heutigen Tschechien) geboren. Sie war deutschsprachige Autorin. Nach der Besatzung der sudetendeutschen Gebiete 1938 durch die Deutschen flüchtete llse Weber mit ihrer Familie nach Prag Von hier aus wurde sie gemeinsam mit ihrem Mann und dem jüngeren Sohn Thomas am 8. Februar 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo sie Kinder auf der Krankenstation pflegte. Ihrem älteren Sohn Hanuš gelang dank einer Hilfsaktion der jüdischen Gemeinde die Flucht nach England und später nach Schweden. Ilse Weber schrieb Gedichte und Lieder, die sie den Kindern im Ghetto vortrug. Sie wurde gemeinsam mit ihrem Sohn Thomas in den Gaskammern von Auschwitz ermordet.

Helga Weiss

Helga Weiss (Weissová) wurde am 10. November 1929 in Prag geboren. Am 10. Dezember 1941, kurz nach ihrem 12. Geburtstag, wurde sie zusammen mit ihren Eltern in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Dort verbrachte die Familie Weiss drei Jahre. Helgas Vater Otto sagte seiner Tochter: „Zeichne, was du siehst!“, und Helga malte über 100 Zeichnungen, die das Leben und Sterben dokumentieren und Zeugnisse dieser unmenschlichen Zeit im Ghetto Theresienstadt sind. Helga Weiss und ihre Mutter haben den Krieg überlebt. Am 21. Mai 1945 kehrten sie nach Prag zurück, Der Vater wurde in Auschwitz ermordet. Helga Weiss ist eine international anerkannte Künstlerin und lebt heute in Prag.

Greta Klingsberg

Greta Klingsberg (geb. Hofmeister) wurde 1929 in Wien geboren. Nach dem Anschluss Osterreichs an Nazi-Deutschland 1938 floh sie mit ihrer Familie nach Brünn (im heutigen Tschechien). 1942 wurde sie mit ihrer Schwester ins Ghetto Theresienstadt deportiert. Dort sang sie die Hauptrolle in der Kinderoper Brundibár von Hans Krása, die mehr als 50 Mal im Ghetto von Kindern aufgeführt wurde. 1944 wurde auch Greta Klingsberg mit ihrer Schwester nach Auschwitz deportiert, wo ihre Schwester ums Leben kam. Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus wanderte Greta Klingsberg nach Jerusalern aus, wo sie heute lebt.

Sara Nussbaum

Sara Nussbaum (1868 -1956), geb. Rothschild, lebte mit ihrem Ehemann und den drei Kindern in der Schäfergasse in Kassel. Das Ehepaar engagierte sich sehr für die Bürger der Stadt Kassel und die Jüdische Gemeinde. Sara Nussbaum unterstützte ihren Mann zudem beim Aufbau der DRK-Sanitätseinheit Kolonne Nussbaume und ließ sich zur Rotkreuzschwester ausbilden. Am 7. September 1942 wurde die 74-jährige Sara Nussbaum von den Nationalsozialisten in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Sie meldete sich dort freiwillig für die Arbeit in der Typhusabteilung der Krankenstation. Sara Nussbaum überlebte den Holocaust und kehrte nach dem Krieg nach Kassel zurück. Sie lebte bis zu ihrem Tod in Armut eine Entschädigungszahlung erhielt sie nie. Allerdings verlieh ihr die Stadt Kassel 1956 als erster Frau die Ehrenbürgerschaft. Wenig später verstarb sie.

Presse

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