Seid nicht gleichgültig! – 11. Trialogtag in Kassel

Die Kasseler Trialogtage tragen zur Stärkung kultureller Vielfalt in Schule und Jugendarbeit in Kassel und den angrenzenden Landkreisen bei.
Für alle in diesen Bereichen tätigen und lernenden Menschen findet seit 2015 einmal im Jahr ein Tag der Begegnung, des Austausches und der Weiterbildung statt.

Der 12. Trialogtag wird am 12. Februar 2026 stattfinden.

„Wenn ich nicht für mich bin, wer ist für mich?
Und solange ich (nur) für mich selbst bin, was bin ich?
Und wenn nicht jetzt, wann denn?“
Rabbi Hillel

Die Worte des Rabbis werden von Derviş Hızarcı, Vorstandsvorsitzender der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus (kurz: KIgA), am 11. Kasseler Trialogtag (27.Februar 2025) häufiger zitiert, sollten sie uns doch alle daran erinnern und ermahnen, unsere Demokratie durch Gleichgültigkeit und Polarisierung nicht zu gefährden.

Hızarcı hielt einen eindrucksvollen Impulsvortrag zum Thema „Zwischen Hass und Haltung“ und berichtete aus eigenen Erfahrungen im Rahmen seiner bildungspolitischen Tätigkeit. Die vielfältige Gesellschaft Deutschlands, eine Migrationsgesellschaft, bringe Reibung mit sich, so Hızarcı. Das Gebot der Ambiguitätstoleranz (also das Aushalten von Mehrdeutigkeiten und Spannungen) verlange jedoch von uns, damit umzugehen und die dadurch entstehenden Kontroversen auszuhalten. Diese Aussage veranschaulicht er mittels des eindrücklichen Bildes der Kopftuch tragenden Klavierspielerin in Salzburg, um den Teilnehmenden zu erklären, dass dieses Bild genauso möglich ist und seine Berechtigung hat wie jedes andere auch.

Hinsichtlich der Antisemitismusproblematik in Deutschland macht der Impulsredner darauf aufmerksam, dass alle Bürgerinnen und Bürger dazu aufgefordert seien, sich zu positionieren. Neutral zu sein, bedeute gleichgültig zu sein, weshalb ein „Nie wieder ist Jetzt!“ nicht nur am 27. Januar – dem Gedenktag zur Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz – Gültigkeit habe, sondern immer und auch bei allen politischen Entscheidungen. Israelhass werde häufig benutzt, um Judenhass zu transportieren. Dem müsse man sich entschieden entgegensetzen und durch die Förderung einer kritischen Urteilsfähigkeit im Bildungsbereich einen Beitrag leisten

So wie viele Kasseler Initiativen ist auch die KIgA von Kürzungen betroffen. Dies habe sie wenige Tage vor dem Trialogtag erfahren. Derviş Hızarcı teilt den Veranstaltenden mit, dass noch bis Ende März sechs Personen aus der KIgA entlassen werden müssten. In der anschließenden Diskussion mit den Beteiligten wird schnell deutlich, dass diese Kürzungen im Bildungsbereich Kahlschlagcharakter hätten und dadurch wichtige Hilfsstrukturen zerstört würden. Hızarcı appelliert daher an die Teilnehmenden des sich anschließenden Workshops zu „Jüdisch-Muslimischen Allianzen“, tatsächliche Begegnungen zu ermöglichen, um Antisemitismus unmöglich zu machen. 

Im Vergleich zu den letzten Jahren wurden am diesjährigen Trialogtag vier Workshops angeboten, die sowohl am Vormittag als auch am Nachmittag angewählt werden konnten. Dies ermöglichte den Teilnehmenden ein intensives Arbeiten sowie einen konstruktiven Austausch. Diese Neuorganisation der Tagesstruktur wurde von den Teilnehmenden sehr positiv evaluiert.  

Neben dem Workshop von Derviş Hızarcı und Daniel Eliasson gab es drei weitere Angebote. Ann-Katrin Mogge bot einen Workshop zum Thema „Digitale Menschenfeindlichkeit als Problem in der Schule an“, Tom Gudella zu „Digitalen Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen“. Dr. Katharina Gaida, die für den erkrankten Yassine Abid einsprang, arbeitete mit Teilnehmenden an „Interreligiös herausfordernden Situationen in der Schule” an Fallbeispielen. Attila Günaydin und eine Schülerin sorgten mit Gesang und Begleitung auf der Bağlama (Langhalslaute) beeindruckend und berührend für die musikalische Umrahmung des Tages. 

Ermöglicht werden konnte der 11. Trialogtag, wie bereits in der Vergangenheit, dank des Projektförderers „Weißt du, wer ich bin“. Neben der Universität Kassel, die für die Workshops ihre Räumlichkeiten zur Verfügung stellte, geht ein herzliches Dankeschön an die gastgebende jüdische Gemeinde in Kassel, die ihren Gemeindesaal zur Verfügung stellte, einen Einblick in den Gebetssaal ermöglichte und alle Teilnehmenden über den Tag hinweg mit sehr gutem Essen versorgte.

Der 12. Trialogtag wird am 12. Februar 2026 stattfinden. 

Jasmin Sindelar