Interview mit Alexander Katz über Judentum und Antisemitismus
Alexander Katz, Sie sind stellvertretender Geschäftsführer des Sara Nussbaum Zentrums für Jüdisches Leben und engagieren sich ehrenamtlich in der jüdischen Gemeinde in Kassel. Wie sieht Ihr persönlicher jüdischer „Background“ aus?
Alexander Katz: Meine Familie kam Anfang der 1990er Jahre aus der Sowjetunion, wie die meisten Mitglieder der jüdischen Gemeinde in Kassel. Viel früher, um das Jahr 1800, kamen unsere familiären Vorfahren aber wohl aus dem Bereich Nordösterreichs oder Süddeutschlands. Wenn man so will, sind wir als Familie also nach Deutschland „zurückgekommen“.
Ist die Erfahrung von Antisemitismus für Sie persönlich ein Thema?
Katz: Das ist unterschiedlich. Zu sagen, dass es keine Belastung wäre, ist falsch. Man erfährt sie. Zum Beispiel wird man hier in Kassel nicht ständig und ununterbrochen diskriminiert. Aber ich kann nicht behaupten, dass ich keine Erfahrungen in dieser Hinsicht gemacht hätte.
Denken Sie dabei an einen konkreten Vorfall?
Katz: Es ist ja nicht so, dass jeder sagt: „Du bist Jude und bist jetzt eine Person zweiter Sorte.“ Aber wenn auf einer Party eingeladen bin und jemand spät nachts feststellt, dass ich Jude bin, ist es schon vorgekommen, dass ich mich nach einem Kasten Bier plötzlich für den Nah-Ost-Konflikt rechtfertigen muss. Das ist sehr unangenehm.
Was wäre ihr Wunsch, was sollte sich ändern?
Katz: Ich lebe seit zwanzig Jahren in Kassel, mittlerweile mehr, und ich bin ein ganz normaler Kasselaner, ich bin hier zur Schule gegangen, ich habe mein Leben als Erwachsener hier in Kassel verbracht. Ich möchte mich einfach so behandelt fühlen wie jeder andere vor Ort.
Kann es eine grundsätzliche Lösung gegen Antisemitismus geben?
Katz: Das ist eine Frage, die sehr weitreichend ist, zumal auch Antisemitismus selbst sehr viele Formen hat. Was die Prävention angeht, bin ich der Meinung: Jeder muss sich da erst einmal an die eigene Nase fassen. Man kann nicht sagen, ich setzte mich hin und warte, bis die Politik etwas löst, sondern jede und jeder muss da mit anpacken.
Sie selbst geben unter anderem ehrenamtlich Führungen durch die Synagoge in Kassel. Welche Rolle spielt Bildung im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Antisemitismus?
Katz: Eine ganz große Rolle, denke ich. Wichtig sind neben Erziehern und Lehrern vor allem die Eltern: Sie sollten ihre Kinder ohne Hass erziehen. Und das würde mich freuen, denn dann würden die Leute ins Sara Nussbaum Zentrum oder zur Führung in die Synagoge kommen und wir würden nur über das Judentum reden. Weil das eine interessante Religion ist und jüdisch zu sein viele Perspektiven hat.
Vielen Dank an Mark Chemkovskii für das Interview.